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Channel: Street-Magazine
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WINTERAUTOS

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Der aus „Grip – Das Motormagazin“ bekannte TV-Moderator und Motoraver-Chef Helge Thomsen ist seit vielen Jahren mit dem US-Car-Virus infiziert. Hier schreibt er in seiner satirischen Kolumne auf humorvolle Weise über die verschiedenen Facetten unseres Hobbys. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Begebenheiten sind dabei durchaus beabsichtigt. Diesmal geht es um Winterautos.

 

Einsteigen, gegenlenken

So schnell, wie das Thermometer zum Jahreswechsel hierzulande auf den Gefrierpunkt zusteuert, sinkt nicht mal der Öldruck eines 350er Smallblocks nach einem plötzlichen Lagerschaden. Winter! Was kann man tun, damit der Fifties-Schlitten schadenfrei durch die kalte Jahreszeit schlittert? Der erste Vorschlag kommt unvermittelt aus dem AM-Radio: „Dieses Jahr solls ja richtig kalt werden, das wird ein harter Winter. Da leidet natürlich ihr Auto. Sie haben hoffentlich schon Winterreifen? Hat ihr Kühler genug Frostschutz? Ist ihre Batterie noch fit? Lassen sie ihr Fahrzeug rechtzeitig durchchecken“, plärrt der Gutelaune-Radio-Moderator aus dem Monolautsprecher. Während ein technisch völlig unterbelichteter Leasingnehmer diese Ratschläge gerne annimmt und hektisch die nächste Vertragswerkstatt ansteuert, um seinen nicht abbezahlten SUV winterfest machen zu lassen, bleibt der Amifahrer eiskalt. Harter Winter? Egal. Das ist Detroit Steel, die letzte Hohlraumkonservierung ist erst ein paar Monate alt, die BF-Goodrich-Reifen sind mit M+S gekennzeichnet, und endlich kann man den Schlitten mal ohne Reifenverschleiß in den Drift bringen. Dank fehlender digitaler Helfer kein Problem und ein großer Spaß. Leider gibt es ein paar natürliche Feinde für diese Art des Fahrvergnügens: aggressives Streusalz und genervte Verkehrsteilnehmer ohne Fahrpraxis.

Vorschlag Nummer zwei: Chevy volltanken, in die Garage stellen, Batterie abklemmen, Tür zu, fertig. Dann für Kleingeld eine abgerockte Winterkarre mit Rest-TÜV kaufen. Die dunklen Hinterhöfe der Fähnchenhändler sind voll mit Gurken, die vom pflichtbewussten Frührentner wegen Umweltbewusstsein verschenkt oder der vernunftgesteuerten Studentin durch gezielte Werbepropaganda abgequatscht worden sind. Das Beste daran ist, dass der Händler die Garantie geben muss. Und damit seine eben verkaufte Kiste nicht gleich hinter der Ausfahrt verreckt und per Anwalt zurück auf den Hof geschoben wird, sind Winterreifen, Frostschutz und eine neue Batterie inklusive. So kommt man stressfrei und günstig durch die dunkle Jahreszeit. Und wenn mal ein Schneepflug das Seitenteil kaltverformt, der Rost sich an den Radläufen vergeht oder die Scheibe von der CD-Hülle zerkratzt wurde, ist das ziemlich egal. Im Frühjahr dann einfach die Visitenkarten der Exporthändler an der Seitenscheibe gut durchmischen und eine Nummer ziehen. Preis aushandeln und vier Wochen später rollt das malträtierte Fahrzeug mit acht glücklichen Insassen frostfrei durch die Wüste. Sobald dann der Frühling an die Fahrertür klopft, die eigene Garage öffnen, Batterie anklemmen und Abfahrt in die neue Saison. So, als wenn nichts gewesen wäre.

(Helge Thomsen)

Unvernünftige Fortbewegung mit vernünftigem Fahrzeug

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